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Sag mir, wo die Uni ist (PDF aus Forschung und Lehre)

Ist die vielbeschworene Autonomie der Hochschulen zu einer Autonomie der Hochschulleitung mutiert? Ergebnisse eines dreijährigen Forschungsprojekts zur Steuerung von Universitäten, das zu einer ernüchternden Schlussbilanz kommt.

Den kompletten  Beitrag von Christian Scholz und Volker Stein aus Forschung und Lehre (2015, 552-554) finden Sie -> hier, unter anderem mit folgenden Themen

  • Strategieproblem: Nicht jedes präsidiale Bauchgefühl ist eine Strategie. Daher:  Föderalistisches Formulieren von „echten“ Zielen für die Universität!
  • Strukturproblem: Fehler der Zentralsteuerung durch noch mehr Zentralsteuerung beheben. Daher: Fehlerhafte Gesetze sofort korrigieren!
  • Kulturproblem: Was ist eigentlich eine Universität? Daher: Nachdenken über universitätskulturelle Grundwerte!

Denn:

In diesem Zentralismus an der Universität beansprucht der Universitätspräsident/Rektor die Letztentscheidung über die Verwendung der öffentlich zur Verfügung gestellten Finanzmittel; gleichzeitig obliegen ihm alle Gestaltungsentscheidungen von Fakultäten und Lehrstühlen. Deshalb hat er die Entscheidungsmacht über Strategie, Schließung oder völlige Umstrukturierung von Fakultäten, Wahl von Dekanen, Berufung von Professoren, Schließen von Lehrstühlen, Forschungs- und Lehrprogramme, Budgetverteilung oder Leistungszulagen. Selbst Drittmittelanträge müssen über seinen Schreibtisch gehen. Schließlich hat er auch die Entscheidungsmacht, nichts zu tun und damit innovative Initiativen anderer ins Leere laufen zu lassen.

Wenn dann auch noch DAAD-Mittel quasi durch das Präsidialbüro vergeben (beziehungsweise nicht vergeben) werden) und überdimensionierte Presseabteilungen des Präsidenten noch das Erscheinungsbild in den Medien steuern beziehungsweise kaufen (Sonderbeilagen), dann ist die Chancenlosigkeit „normaler Lehrstühle“, die jenseits des präsidialen Segens ihre (nachweisbar gute) Arbeit machen, vorgezeichnet.

Nur: Es gibt keine Hinweise darauf, dass aus derartigen Strukturen/Strategien/Kulturen  akademische Exzellenz entsteht. So gesehen ist es nur eine Frage der Zeit, bis Charles Darwin zuschlagen wird.

Christian Scholz in Brandeins zur Rolle des Personalmanagements / plus vier Reaktionen

scholz_BrandeinsIn Brandeins findet man (jetzt online)  einen   Blick auf die Personalarbeit in Unternehmen  – und zwar aus vier Perspektiven. Dazu hier einige Ausschnitte aus (meiner) Sicht des Wissenschaftlers .

Zunächst zur Rolle des Faches Personalmanagement an der Universität des Saarlandes:

„Dazu passt, dass es heute deutlich weniger reine Personal-Lehrstühle an den Hochschulen gibt, als vor 20 Jahren. Auch mein Lehrstuhl wird laut aktueller Planung unseres Universitäts-Präsidenten nach meinem Ausscheiden nicht mehr neu besetzt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das Fach Personalmanagement an Universitäten zu einer Unterrubrik einer mechanistisch-digitalen Betriebswirtschaftslehre wird. Verhaltensorientierung, Psychologie, Kreativität und Motivation spielen keine Rolle mehr. Ebenso wenig wie alles, was mit strategischer Personalplanung verbunden ist.“

Es versteht sich von selbst, dass damit Personalmanagement auch nicht zu einer Unterrubrik der Psychologie reduziert werden darf. (was man aber aktuell in gewissen Kreisen an der Universität des Saarlandes als Stein des Weisen ausbrütet.)

Und zu dem, was in Deutschland als „Leitkultur HR“ gilt:

 „Vor wenigen Monaten hat der Post-Vorstandsvorsitzende Frank Appel wieder auf einem Kongress klargemacht, dass er Mitarbeiter vor allem als Kostenfaktor sieht. In seinen Augen reduziert sich die Aufgabe der Personalabteilung darauf, die besten Leute zu möglichst niedrigen Kosten zu besorgen. Kurz vor diesem Kongress wurde Angela Titzrath, eine hochkompetente Personalerin, als Personalvorstand der Post rausgeschossen. Und wie reagiert die HR-Community unter der Leitung von Thomas Sattelberger darauf? Sie lässt es einfach mit sich machen: Der Kongress, den Angela Titzrath mit organisiert hatte, fand trotzdem wie geplant im Post Tower statt, und Frank Appel bekam brav Beifall für seine Thesen und seine Handlungen. Die HR-Community akzeptiert offenbar ihre eigene Ohnmacht.

Und zur Personalbeschaffung und dem aktuellen Employer Branding:

Ein Blick auf Stellenanzeigen genügt, um zu sehen, dass viele Unternehmen beim Recruiting im Blindflug unterwegs sind.“

Also ein pessimistisches Bild? Ganz sicher nicht:

Auch in einer Industrie 4.0 haben wir reale Menschen mit all ihren Talenten, Bedürfnissen und Entwicklungspotenzialen. Und genau dafür brauchen wir die oben beschriebene professionelle und reale Personalabteilung 4.0, die eine integrative Klammer über die vielfältigen und teilweise ausgelagerten Aktivitäten legt. Mein Bild für diese Personalabteilung ist die grüne Lego-Grundplatte, auf der man die unterschiedlichen Kernkompetenzträger aufbauen und verankern kann. Aber diese Platte der Unternehmens-DNS muss stabil und verbindlich sein, sonst zerbröselt die Organisation.“

Den gesamten Artikel und die anderen Perspektiven findet man hier als Webdokument (aber nicht mehr als PDF).

Nachtrag (2015): Auf meine Aussagen gab es vier Reaktionen

(1) Thomas Starnberger beschwerte sich, dass brandeins eine Aussage von mir abdruckte, ohne sich bei ihm dazu die Erlaubnis zu holen (wobei ich von einer anderen Zeitschrift her weiß, dass er dieses Privileg durchaus offenbar manchmal bekommt).

Thomas Sattelberger, München (link): Ich bin zwar ein ergrauter Elefant der HR-Profession, aber das bedeutet nicht, dass ich mich von Professor Scholz so beschimpfen lassen muss, wie er das in Ihrer Zeitschrift ungehemmt tun darf.  (….. )Dass Ihr Blatt ohne Rückfrage bei uns und bei mir jetzt so etwas abdruckt, ist unfein.“

(2) Eine Stimme aus der Praxis lehnten der Vergleich mit der Grundplatte ab. Das Beschäftigen mit Personalrekrutierung,
Administration rund um Entgeltabrechung und
Entgeltgestaltung reiche voll aus.

(3) Unser Universitätspräsident nutze (unter anderem) meine Forderung nach mehr  „Verhaltensorientierung, Psychologie, Kreativität und Motivation“ als Begründung, die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät zu zerschlagen. Betriebswirtschaft kommt jetzt zu Psychologie, Sport und diversen anderen Fächern. (siehe Beitrag -> hier)

(4) Meine Frau hat das Bild von mir aus dem Artikel in ihrem Arbeitszimmer aufgehängt.

Und noch ein Nachtrag (2016): UdS

Meine implizite Befürchtung „Es versteht sich von selbst, dass damit Personalmanagement auch nicht zu einer Unterrubrik der Psychologie reduziert werden darf“ hat sich nicht bewahrheitet. Vielmehr scheint mir aktuell folgendes Szenario wahrscheinlich: Personalmanagement wird jetzt zum einen eine Unterrubrik der Psychologie (Führung, Personalauswahl), zum anderen zum Anwendungsfall für  Big Data. Die Pointe des Faches, wie es 1986 gegründet wurde, ist damit ausradiert. Ob das zur Attraktivität der BWL an der Universität des Saarlandes beiträgt, bleibt abzuwarten.

Wieder ein Nachtrag (2017): Lego 

In zwei Wochen (Juni) haben wir ein Seminar zum Thema Design Thinking, wo es auch um die Methodik „Lego“ gehen wird. Und im August ist zusammen mit Herrn Langecker eine Sommerakademie geplant – auch mit Lego und bei mir auch mit einer grünen Grundplatte. Und vielleicht gibt’s im Herbst nochmal Design Thinking mit Lego.

orga.TV & SR: Fakultätszerschlagung als Sparbeitrag?

heute 18:18 auf orga.TV  ein Bericht über die tolle Vollversammlung der Studenten der Fakultät 1 (ja, es gibt sie noch immer, die ReWiFak@UdS). Es kamen rund 1000 Studenten mit einer klaren Meinung:  Die Idee des Präsidenten, unter dem Deckmantel der „Sparlast“ die Fakultät 1 zu zerschlagen, wird nicht akzeptiert, vor allem weil man sieht, dass dahinter wieder nur die Idee einer MINT-Universität (-> hier) steht.

P.S. als „quergedacht“: Warum eigentlich lassen wir nicht dem Präsidenten seine MINT-Universität und wir bauen aus der Fakultät 1 eine zusätzliche Universität. Denn eines wurde gestern klar: BWL und Jura sind die Cash Cows der Universität. Demnach können wir uns selber erhalten. Vielleicht wollen ja noch einige andere nicht-MINT- Fakultäten  mitmachen …….

Ansonsten ein  Detail, das  viel über die Medienausrichtung im Saarland aussagt: Der Saarländische Rundfunk hat sofort auf diversen Kanälen (von Teletext bis zu SR2)  über die Protestaktion der Studenten berichtet. Die Saarbrücker Zeitung hat sich erwartungsgemäß  bisher soweit erkennbar zu dieser Aktion der Studenten ausgeschwiegen ……

Zum SR-Beitrag -> hier.
(Die heutige Sendung von orga.tv folgt zeitversetzt als on-deman.)

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