1. Es gibt doch bereits diverse Ansätze zur Bewertung des Human Capitals. Erfindet die Saarbrücker Formel das Rad neu?
Nein. Die Entstehung der Saarbrücker Formel geht zurück auf eine systematische Analyse bestehender Ansätze und Methoden zur Messung und Bewertung des Human Capitals. Im Rahmen dieser Studie wurden unterschiedliche Klassen von Bewertungsansätzen gebildet, denen die einzelnen Vorschläge zugeordnet werden konnten. Im Sinne einer Zusammenführung derjenigen Bewertungsimpulse, die für konzeptionell tragfähig und zugleich praxistauglich gehalten wurden, kombiniert sie die Vorteile der vorliegenden Bewertungskonzepte und spart zugleich nicht-zielführende Aspekte aus. Damit stellt die Saarbrücker Formel eine Verknüpfung zentraler Bewertungsideen der marktwertorientierten, der Accounting-orientierten und der indikatorenbasierten HC-Bewertungsansätze dar. Anfang Mai 2004 erstmalig publiziert und als neuer Vorschlag zur Bewertung des Human Capitals zur Diskussion gestellt, hat sie aufgrund großen wissenschaftlichen und unternehmenspraktischen Interesses seitdem eine spannende Eigendynamik entfaltet.
2. Was bedeutet Human Capital Management für den Mittelstand? Betrifft die Bewertung von Human Capitals auch KMUs?
HCM ist nicht nur eine Chance für Großunternehmen. Gerade der Mittelstand, der in Deutschland die meisten Arbeitsplätze bereitstellt, muss die Grunderfordernisse eines zeitgemäßen Personalmanagements erfüllen: Denn Kunden und Mitarbeiter werden ihre Ansprüche nicht zurückschrauben, nur weil es sich um ein kleineres oder mittleres Unternehmen handelt. Vor diesem Hintergrund werden die diversen Interessengruppen in Zukunft verstärkt ein HCM mit konkreten Zahlen verlangen. Wenn es beispielsweise um Kreditvergaben oder um strategische Partnerschaften geht, kann sich ein mittelständisches Unternehmen nicht aufgrund seiner Betriebsgröße herausreden! Unternehmen, die – unabhängig von ihrer Größe – zudem ihre Defizite anhand gezielter HCM-Analysen abbauen, erschließen sich dadurch zunehmend die Chance, für eine qualifizierte Mitarbeiterbasis attraktiv zu sein, die in den kommenden Jahren wieder knapp zu werden droht. Das heißt: Auch wenn die Ausgestaltungsform teilweise variiert, lässt sich ein HCM für alle Unternehmensgrößen konzipieren – und nutzt vor allem dem Mittelstand in dem bevorstehenden Wettbewerb um eine ausreichend qualifizierte und damit „wertvolle“ Belegschaft!
3. Wenn man HCM „machen“ will: Wie steigt man am besten ein? Welches sind die Prozessschritte?
Grundsätzlich ergeben sich die folgenden sechs Schritte, die es für einen unternehmensspezifischen Einstieg in die Thematik zu durchlaufen gilt: Erstens: klarer Handlungsdruck im Sinne eines Auslösers, der sich aus der Unternehmensleitung beziehungsweise aus einer der externen Interessengruppen ableitet. Unabhängig davon kann die Personalabteilung aber auch proaktiv die Bedeutung einer umfassenden Auseinandersetzung mit dem HCM erkennen. Zweitens: Start-Workshop einer Kerngruppe (überwiegend, aber nicht nur aus der Personalabteilung), die sich auf der konzeptionellen Ebene mit dieser Thematik auseinandersetzt. Drittens: Herausfiltern derjenigen Bewertungsmethodik, die am besten betriebsspezifischen Gegebenheiten Rechnung trägt. Dazu gehört auch die Beantwortung der Fragen nach Datenbasis, Formelaufbau und formelimmanenten Handlungskonsequenzen. Viertens: Diskussion der (vorläufig) gewählten Methodik im größeren Kreis, um betriebsspezifische Anpassungen vorzunehmen und die Akzeptanz von Methode sowie Ergebnis sicherstellen zu können. Fünftens: Anwendung, also den Wert des Human Capitals erheben. Sechstens: Nachdenken über die Konsequenzen aus den Befunden und Nachsteuern.
4. Besteht nicht die Gefahr, durch Individualwerte den „gläsernen Mitarbeiter“ zu schaffen?
Die Saarbrücker Formel nimmt keine individuumsbezogene Bewertung von Human Capital vor. Stattdessen werden aggregierte Werte ermittelt, etwa für das Gesamtunternehmen, strategische Geschäftseinheiten, einzelne Abteilungen oder andere Organisationseinheiten. Diese können wiederum nach Beschäftigtengruppen aufgeschlüsselt werden. Somit ist der Ausweis individuumsbezogener Werte allenfalls durch Durchschnittswertbildung möglich. Diese Durchschnittswerte können unter internen und externen Benchmarkinggesichtspunkten interessant sein, erlauben jedoch keinerlei Rückschluss auf das „tatsächliche Humankapital“ eines bestimmten individuellen Mitarbeiters, da der resultierende Durchschnittswert natürlich für alle Personen der betrachteten Einheit gleich ist. Ein verstecktes „Performance Measurement“ von Einzelpersonen bleibt dadurch explizit ausgeschlossen.
5. Wie trägt die Saarbrücker Formel zur Bewertung des Human Capitals dazu bei, den Wertschöpfungsbeitrag der Personalarbeit zu dokumentieren?
Zunächst muss man hier aufpassen, drei konzeptionell unterschiedliche Dimensionen nicht zu vermischen: und zwar die personale Dimension, die funktionale Dimension und die institutionale Dimension. Die Bewertung von Humankapital beantwortet die Frage „Was ist der Wert der Belegschaft?“ (personale Dimension). Dadurch wird keine direkte Antwort auf die Fragen nach dem Wert beziehungsweise der Wertschöpfung der Personalarbeit (funktionale Dimension) und nach dem Wert beziehungsweise der Wertschöpfung der Personalabteilung (institutionale Dimension) gegeben. Allerdings lässt der Humankapitalwert indirekt auf die personalwirtschaftliche Wertschöpfung schließen, insofern beispielsweise ein hoher Human Capital-Wert auf die Güte der personalwirtschaftlichen Fähigkeit zur Optimierung des Human Capitals schließen lässt.
6. In der Saarbrücker Formel tauchen die Löhne und Gehälter als Komponente zur HC-Bewertung auf. Welche Bedeutung hat dieses „li“?
Hier muss man aufpassen! Gelegentlich ist das Missverständnis aufgetaucht, dass die Saarbrücker Formel auf Basis tatsächlicher Löhne und Gehälter rechne. Dies ist aber nicht der Fall! Vielmehr verwendet sie „durchschnittliche“ Marktreferenzlöhne, die üblicherweise am Markt für Beschäftigte mit bestimmten (Fähigkeits- und Qualifikations-)Profilen gezahlt werden. Entsprechende Daten werden in Gehaltsstudien (z.B. www.gehaltsstudie.de) oder von öffentlichen Quellen bereitgestellt (Bundesagentur für Arbeit, Statistikämter, IAB etc.). Diese Referenzwerte gehen als „Löhne und Gehälter (li)“ in die Berechnung der Saarbrücker Formel ein. Dadurch ist klar, dass ein „Schönrechnen“ des eigenen Humankapitals durch ein beliebiges Drehen an der vermeintlichen Stellschraube „Personalvergütung“ ausgeschlossen ist. http://saarbruecker-formel.net/faq/ http://saarbruecker-formel.net/faq/„Tatsächlich“ gezahlte Entgelte können deshalb allenfalls unter Benchmarking-Aspekten von Interesse sein, aber nicht für die HC-Wertbestimmung.
Weitere Fragen können Sie an Univ.-Prof. Dr. Christian Scholz richten.