Ohne Stammplatzgarantie

Darwiportunismus ist ein von Univ.-Prof. Dr. Christian Scholz von der Universität des Saarlandes 1999 “erfundenes” Kunstwort zur Darstellung von psychologischen Verträgen in der Arbeitswelt. Psychologische Arbeitsverträge beschreiben die impliziten Verhaltensannahmen, auf deren Basis Unternehmen und Mitarbeiter zusammenarbeiten.

Darwiportunismus setzt sich aus zwei  Tendenzen zusammen:

  • Auf der einen Seite steht der Darwinismus der Unternehmen. Gemäß dem darwinistischen Paradigma bestehen auch im Wirtschaftsleben nur diejenigen Unternehmen oder Arbeitnehmer im Wettbewerb, die an ihre externen und internen Rahmenbedingungen am besten angepasst sind. Der harte externe Verdrängungswettbewerb findet sich dann auch als kollektives unternehmensinternes Muster wieder: Unternehmen stellen hohe Anforderungen an die Qualifikation und Leistungsbereitschaft ihrer Mitarbeiter, greifen aber im Zuge von Rationalisierungsmaßnahmen oder Konjunkturkrisen auch schnell zum Mittel der Kündigung − insbesondere bei vermeintlich „schwächeren“ Arbeitnehmern.
  • Auf der anderen Seite steht der Opportunismus der Mitarbeiter. Gemäß der opportunistischen Verhaltensannahme handeln Individuen so, dass ihr eigener Vorteil im Mittelpunkt steht. Hoch opportunistische Arbeitnehmer sehen ihren momentanen beziehungsweise den in Aussicht gestellten Arbeitsplatz als Möglichkeit, ihre Berufserfahrung, ihren „Marktwert“ und ihren Lebenslauf zu optimieren, und nehmen nur noch in geringem Maße Rücksicht auf die mittel- bis langfristigen Ziele des Arbeitgebers. Sofern sie eine bessere Möglichkeit zur individuellen Optimierung finden, verlassen Sie das Unternehmen.

Beide Trends verstärken sich zurzeit tendenziell, wobei dies aber nicht für alle Länder, Unternehmen und Personen gleichermaßen gilt.

Aus diesen beiden Tendenzen heraus entstehen vier konkrete beobachtbare Situationen, je nachdem, wie stark die beiden Tendenzen ausgeprägt sind:

  1. Niedriger Darwinismus und niedriger Opportunismus führt zur„Guten Alten Zeit“. Hier gibt es wechselseitige Loyalität, kaum Wettbewerb und eine entspannte Arbeitsatmosphäre.
  2.  Niedriger Darwinismus und hoher Opportunismus impliziert einen „Kindergarten“, in dem Mitarbeiter sich in positiver Weise angstfrei entfalten können, das Unternehmen aber nur geringe Möglichkeiten zur Mitarbeitersteuerung hat.
  3. Hohen Darwinismus und niedrigen Opportunismus findet man im„Feudalismus“, wo das Unternehmen klare Spielregeln vorgibt, ihre unbedingte Einhaltung kontrolliert und je nach Leistung die Mitarbeiter belohnt oder bestraft.
  4.  Hoher Darwinismus und hoher Opportunismus schließlich resultiert in „Darwiportunismus Pur“. Diese Kombination spiegelt die neue Realität der Arbeitswelt „ohne Stammplatzgarantie“ wieder. Das Arbeitsumfeld wird wettbewerbsintensiver, die wechselseitige Loyalität geringer.

Keine dieser vier Situationen im Sinne von psychologischen Verträgen ist gut oder schlecht. Alle können aber richtig oder falsch gespielt werden. Damit geht es letztlich darum, dass sich Unternehmen und Mitarbeiter auf einen Vertragstyp einigen und diesen Vertrag beidseitig einhalten.

Deshalb tun Unternehmen gut daran, im Interesse von Stakeholdern und Mitarbeitern eine klare Personalstrategie für den Umgang mit Darwinismus und Opportunismus zu entwickeln und alle personalwirtschaftlichen Instrumente professionell daraufhin abzustimmen.