BEWERBER GESUCHT
von Christian Scholz und Sebastian C. Scholz (2001)
Laut einer amerikanischen Studie rekrutieren 80% der FORTUNE Global 500 Firmen über ihre eigene Website Personal. Aber nur eine exakte Abstimmung von Content, Usability, Branding und Emotion lässt die Erfolgsgleichung „Personalwebsite“ aufgehen. C+U+B+E= CUBE! Mit dieser Formel werden im Jahre 2001 in dieser Rubrik der Personalwirtschaft Experten aus unterschiedlichen Blickwinkeln regelmäßig Personalwebsites bewerten.
Da das Internet seit langem nicht mehr den Charakter einer experimentellen Spielwiese hat und die High Potentials im IT-Sektor immer knapper werden, stehen die Personalmanager unter extremem Erfolgsdruck.
Es stellt sich also die Frage: Wie hat eine funktionierende Stellenangebots-Website auszusehen? Ein Blick auf bereits existierende Personalwebsites liegt nahe, doch worauf ist zu achten? Was kann man lernen, was sollte man vermeiden?
Um diese Frage zu lösen, haben die Autoren die CUBE-Formel entwickelt, die mit Content, Usability, Branding und Emotion die vier Variablen der Erfolgsgleichung einer Personalwebsite berücksichtigt.
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Artikel (Personalwirtschaft) 516 KB |
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Content
Oberste Priorität für eine Stellenangebots-Website sollte die Erleichterung des Such- und Bewerbungsprozesses für den Bewerber sein: Je leichter dieser Prozess ist, desto mehr Bewerbungen gehen ein und desto größer ist letztendlich der Pool an qualifizierten und kompetenten Fachkräften, aus dem das Unternehmen schöpfen kann.
Diese Prozessoptimierung geht weit über das bloße Einscannen bestehender Stellenangebote hinaus. Die Grenzenlosigkeit des Mediums Internet soll ausgenutzt werden. Also: Alles rein! Von genauen Anforderungen der jeweiligen Stelle über die verschiedenen Arbeitsmodelle bis hin zu umfangreichen Informationen zu den unterschiedlichen Einsatzorten.
Sämtliche ausgeschriebenen Stellen müssen auch auf der Personalwebsite erscheinen. Ansonsten ist Konfusion auf Bewerberseite garantiert.
Diese Fülle an Informationen ist aber wertlos, solange die Personalwebsite nicht ständig aktualisiert wird. Nichts vermittelt einen schlechteren Eindruck und dämpft die Motivation der Bewerber mehr als offensichtlich veraltete oder auf Nachfrage bereits besetzte Stellen(-Angebote).
Eine Suchmaschine, die freie Stellen nach gewünschter Abteilung, Qualifizierung oder Einsatzort auflistet, beschleunigt die Suche wesentlich. Der Bewerber sollte in den aufgelisteten Ergebnissen die Möglichkeit haben, mittels eines Webformulars sein Portfolio bzw. seinen Lebenslauf als Bewerbung abzuschicken. Die Bereitstellung eines solchen Formulars ist im Gegensatz zu einem direkten e-Mail-Link insofern besser für den Bewerber, als dass er nicht mehr auf die Selbstdarstellung (Bewerbungsmappe) zu achten braucht. Dies hat den wesentlichen Vorteil, dass durch das Webformular alle Bewerbungen in standardisierter Form eingehen und durch direkte Datenbankanbindung der gesamte Evaluationsprozess optimiert und beschleunigt werden kann. Denkbar ist außerdem ein Datenbankzugriff für Bewerber, um ihre bereits abgesendeten Lebensläufe zu aktualisieren.
Zu vermeiden ist hierbei eine übertriebene Kategorisierung, die keine ungewöhnlichen Eingaben zulässt. Gerade in einer Branche der Quereinsteiger sollte der Bewerber keinesfalls Falschaussagen treffen müssen – weil beispielsweise sein ausländisches Examen nicht als Auswahloption vorhanden ist – , nur um seine Bewerbung abschicken zu dürfen.
Usability
Die „Handhabbarkeit“ ist erfolgsentscheidend für die Personalwebsite, da ein Bewerber, der sich nicht sofort auf der Website zurechtfindet, sich nicht selten in Richtung Konkurrenz verabschiedet.
Das Interface, die Schnittstelle zwischen Information (Stellenangeboten) und User (Bewerber), muss möglichst intuitiv erschließbar sein. Hierbei hat sich eine Richtlinie herauskristallisiert, die Jakob Nielsen (1) treffend formuliert: „Usability = The Practice Of Simplicity“.
Eine lange durchgehende Anordnung von Stellenangeboten wie in den Printmedien ist für den Bewerber im Internet – besonders im Hinblick auf Ladezeiten – ungeeignet: zu unübersichtlich, zu schwer zu sondieren auf dem verhältnismäßig kleinen Bildschirm. Aus diesem Grund ist das netzcharakteristische Hypertext-System wesentlich praktikabler. Die Stellenangebote sollten in viele Bestandteile zerlegt werden, die der Bewerber mit Hilfe eines Oberverzeichnisses oder einer Suchmaschine selbst anordnen kann. Die Bewerber haben so direkt Zugriff auf die für sie relevanten Stellen.
Ein Risiko bringt diese Fragmentisierung aber mit sich: Firmen tendieren dazu, ihre Abteilungsstruktur als obersten Gliederungspunkt zu benutzen. Den Bewerber interessieren jedoch zuerst die Anforderungen einer Stelle und dann das voraussichtliche Einsatzfeld, nicht umgekehrt.
Neben der Struktur des Interfaces müssen auch Design und Technik stimmen. Hier begeben sich viele Firmen auf dünnes Eis, indem sie versuchen, ihren innovativen Charakter dem Bewerber durch eine besonders innovative Anwendung von Design- und Technik zu vermitteln.
Prinzipiell spricht auch nichts gegen den Gebrauch von Browser-Plugins für den Einsatz von Video-Streaming, Musik oder Animationen. Gäbe es nicht First Mover und Trendsetter (2), so hätte das Internet nie die Bedeutung für das heutige Leben erlangt. Nur sollte der Bewerber die Wahl haben, ob er die Stellenanzeigen in gewohnter Interaktivität mit abschätzbaren Ladezeiten sehen, oder ob er sich in ein „Abenteuer“ mit wild aufpoppenden Fenstern stürzen möchte.
Branding
Branding ist das eigentliche Ziel eines Internet-Auftrittes, wenngleich oft vernachlässigt. Wie könnte man in Zeiten des absoluten Mangels an IT-Fachkräften, dem „War Of Talent“, diese erst zur Bewerbung und dann zum Bleiben motivieren? Die Antwort heißt „Employee Value Proposition“: die Kunst, Werte zu vermitteln, die ohne Dollarzeichen geschrieben werden. Hier müssen Unternehmen eine klare Identität aufbauen, es muss eine Marke – ein „Brand“ – geschaffen werden.
So hatten die Mitarbeiter des Internet-Magazins WIRED (3) Anfang der 90er Jahre Überstunden ohne Ende mit im Vergleich zu heute lächerlichen Gehältern. Aber WIRED wurde eine Legende, die Arbeit dort zum Mythos: Die Mitarbeiter hatten das Gefühl, etwas „zu bewegen“. Viele kleine Internet-Startups betreiben ihre Motoren immer noch mit dem Zaubertrank „Werte und Gefühle“.
Der formale Aspekt des Branding bezieht sich auf die Darstellung im Sinne von Einheitlichkeit und Unverwechselbarkeit. Hier geht es um konsistente Farben, Schrifttypen, Symbole, Bilder, gleichzeitig aber auch darum, alles wiedererkennbar und deutlich anders zu machen als die Konkurrenz. Im Idealfall erkennt man das Unternehmen bereits auf den ersten Blick!
Der inhaltliche Aspekt bezieht sich auf die Schaffung einer klaren und unverwechselbaren Botschaft Zu vermitteln ist der „Spirit“: Wofür das Unternehmen steht, was das Unternehmen bereits bewegt hat. Ein perfektes Beispiel dafür ist „frogdesign“ (4). Die vor Selbstbewusstsein strotzenden Statements und die beeindruckende Timeline voller Referenzen vermitteln einem Bewerber mehr als Zahlen.
Emotion
So weit so gut: Man hat viele offene Stellen, die zudem auch optimal strukturiert sind. Oben drauf sitzt eine richtig gut durchdachte, handhabbare Navigation, der Unternehmensspirit wurde auch lokalisiert und kommuniziert. Nur es bewirbt sich niemand. Wo liegt der Fehler?
Der Besuch einer Website muss Spaß machen, egal ob es sich um e-Commerce, Unified Messaging oder Personalwebsites handelt. Spaß muss nicht unbedingt „alberne“ Spielerei voraussetzen, Spaß ist durchaus auch in ernstem Kontext möglich.
Ein Beispiel dafür wäre ein selbstironischer Schreibstil, so zu sehen auf der Jobs-Seite der Internet-Agentur von Aperto (5). Denkbar sind auch verspielte Interfaces (6), die starre Hierarchien auflockern oder witzige Anspielungen auf die Produkte des Unternehmens (7).
Externe Links
Der Originalartikel erschien 2001, insofern sind die einige der folgenden Links im beschriebenen Kontext leider nicht mehr aktuell.
(1) www.useit.com
(2) www.k10k.net
(3) www.wired.com
(4) www.frogdesign.com
(5) www.aperto.de (Jobssektion)
(6) www.lionhead.com
(7) www.ea.com (Jobssektion)