Blog 2010

Drei ungute Entwicklungen

In einem Bericht der Siegener Zeitung vom 29.10.2010 nimmt Univ.-Prof. Dr. Volker Stein von der Universität Siegen Stellung zu den aktuellen Entwicklungen in der Diskussion um Universitäten und „Bologna“. Er kritisiert insbesondere grotesk-freche Schuldzuweisungen im Zusammenhang mit der Bologna-Umsetzung, dann die fragwürdige Rolle von „Bachelor Welcome“-Unternehmen gegenüber Bachelor-Absolventen sowie den Ego-Lobbyismus von exponierten Akteuren, die sich persönlich zu Lasten der Universitäten massiv profilieren. Der ganze Bericht ist zu lesen unterhttp://www.siegener-zeitung.de/a/404348/berufsausbildung-wird-verlagert .

 

Generation Bologna

Generation Bologna: Belogen und bestohlen!
Die österreichische Umsetzung von Bologna verbrennt massenhaft Ressourcen, schafft Frust und macht Zehntausende aus der Generation Bologna zu Opfern fantasie- und konzeptloser Bildungsbürokraten.

Hoch interessant die Kommentare dazu!

 

Neue Nominierungen für die “Schwarze Liste”

Aus Nordrhein-Westfalen erreichen uns zwei Nominierungen für die „Schwarze Liste“ – nämlich die Spitzenkandidaten der beiden größten Parteien für die im Mai 2010 anstehende Landtagswahl. Nachfolgend die Begründungen der Einreichung in ihrem Wortlaut:

  • Jürgen Rüttgers (CDU), Ministerpräsident, „für seine Äußerung ‚Humboldt ist tot’, die Mitwirkung an der Initiierung des Bologna-Prozesses und den Vorschlag, in Deutschland englischsprachige akademische Grade einzuführen“.
  • Hannelore Kraft (SPD), Herausforderin des Ministerpräsidenten und ehemalige Wissenschaftsministerin, „für den mit Haß im Blick vorgetragenen Ausruf ‚Das Diplom muß weg’“.

Mailen Sie uns gerne Ihre Meinung dazu!

 

Österreich Du hast es besser! 15.000 Studenten demonstrieren

Eigentlich wollten die Erfinder der Bologna-Reform ihren Erfolg feiern. Doch – wie der ORF bereits seit 6 Uhr mehrfach gemeldet hat – machen Ihnen die Studenten einen Strich durch die Rechnung: Es werden rund 15.000 Studenten erwartet, die heute Nachmittag in Wien gegen “Verschlechterung der Studiensituation durch die Bologna-Reform” eindrucksvoll und fantasievoll streiken. (Info)

“Bologna burns” – unter diesem Motto werden heute, Donnerstag, Nachmittag bis zu 15.000 Studenten in Wien auf die Straße gehen. Ziel des Protests: Die Jubiläumskonferenz zum Bologna-Prozess, die heute und morgen in Budapest und Wien stattfindet. (Quelle)

Betont wird in der Berichterstattung auch, dass sich die Universitätsprofessoren gegen diese Reform wehren und zudem die Wirtschaft über die Bachelors nicht gerade begeistert ist:

Die Wirtschaft schreit ebenfalls auf, Bachelor-Absolventen seien nicht gerade willkommen, heißt es von den Arbeitgeberverbänden. Für Studierende ist das ein zusätzliches Alarmzeichen: Wer studiert schon, um danach keinen Job zu bekommen? (Quelle)

Was ist in Deutschland anders? Sicherlich ist Bologna genauso gescheitert, wie in Österreich. Nur haben sich in Deutschland die

  • Universitätspräsideten sowie ihre Lobbygruppe (HRK Frau Wintermantel),
  • die Politik (stellvertretend die Bundesbildungsministerin Frau Schavan) im Schulterschlus mit
  • den meisten Medien (besonders stark ideologisch-verzerrt  Marion Schmidt von der FTD) sowie
  • manchmal auch die Studenten und AStA

darauf geeinigt, den schwarzen Peter ausschließlich den Hochschullehrern zuzuspielen. Hier scheint man offenbar in Österreich (und dort vor allem in den Medien und bei den Studenten) etwas differenzierter vorzugehen: Österreich, Du hast es besser!

 

Please, say it again: “Dipl.-Ing.”

Der Spätherbst 2010 im hohen Norden der Bundesrepublik hat es bildungspolitisch in sich: Mecklenburg-Vorpommern erwägt, dem „Dipl.-Ing.“ wieder Priorität vor dem „Master“ zu geben.

Und was passiert? Zunächst schreibt Anfang Dezember „die Wirtschaft“ Brandbriefe an die Fraktionsspitzen der Parteien. Dann stellt sich heraus, dass am lautesten Thomas Sattelberger diese öffentliche Diskussion beherrscht, Telekom-Personalvorstand und Mitglied in vielen einflussreichen Netzwerken rund um Personal und Bildung. Es drängt sich der Eindruck auf, er lenke von seiner eigentlichen Aufgabe ab und wolle sich für seine Zeit nach der Pensionierung als „Deutschlands Personaler Nummer eins“ in Stellung bringen. Allerdings ist seine Kritik weder qualifiziert noch ist er das Sprachrohr der deutschen Wirtschaft. Diese fühlt sich durch Sattelberger nicht vertreten, im Gegenteil: Es fällt auf, dass kein anderer Personalvorstand in den letzten Jahren die Diplom-Abschlüsse abschaffen wollte. „Die Wirtschaft“ – das sind Top-Manager wie Mercedes Chef Dieter Zetsche, die den Wert des Qualitätsabschlusses Diplom erkennen und für international überlegen halten.

Ein Gastbeitrag der Bologna-Schwarzbuch-Herausgeber in der Ostsee-Zeitung am 08.12.2010 stellt heraus, dass Mecklenburg-Vorpommern sich als Bundesland eine fundierte eigene Meinung leistet und damit zum bundesweiten Vorreiter für weitere modernisierte Diplom-Modelle wird, die einerseits vollkommen Bologna-kompatibel sind, andererseits die Schwächen der bisherigen Zwangskorsettreform abmildern. Mecklenburg-Vorpommerns Diplom-Vorstoß vereint Bildungs- und Wirtschaftsinteressen: „Danke, MV!“

Und so kommt es dann auch: Am 15. Dezember stimmt der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern für die Wiedereinführung des Markenzeichens Diplom-Ingenieur. Noch mal: „Danke, MV!“

 

Wie treffend: Bologna als Lebensaufgabe …

In der Zeitschrift chrismon 02.2010 ist auf Seite 8 von der Kolumnistin Ursula Ott zu lesen:

“Praktisch ist an vielen Prozessen – an den nichtjuristischen zumindest -, dass sie nie abgeschlossen sein müssen. Wann das endlich mal was wird mit den besseren Studienbedingungen in Deutschland? Wann wir unsere Studierenden, die ja angeblich unsere Zukunft sind, endlich nicht mehr zu Hunderten auf dem Boden und unterm Waschbecken hocken lassen bei den Vorlesungen? Das dauert, sagt die zuständige Ministerin. Ist ja der Bologna-Prozess. Und bis der sich mal der Vollendung nähert – da gibt sich der eine oder andere Studierende wohl schon dem Alterungsprozess hin.”

Das Schlimme ist: Nicht nur die Studierenden, sondern auch die Universitäten werden im Laufe der Zeit verpasster Chancen alt aussehen!

 

Nein, Frau Hergert: Es ist nicht egal, wer Bologna vermurkst hat!

In der aktuellen (1/2010) Handelsblatt – Junge Karriere schreibt Stefanie Hergert in ihrem Beitrag (S. 14-15):

Es ist doch egal, wer Bologna vermurkst hat. Wir brauchen endlich eine Lösung!

Nein, so einfach geht es nicht. Um Bologna zu verbessern, müssen wir erarbeiten, was falsch gelaufen ist und wer dafür verantwortlich ist. Denn: Wir wollen doch nicht den gleichen Bock nochmal zum Gärtner machen?

Interessant: In ihrem Artikel werden viele Schuldige genannt, sie erwähnt aber ihre Zeitschrift nicht. Nur: Gerade Handelsblatt – Junge Karrieregehört in diesem Zusammenhang unbedingt genannt, denn in dieser Zeitschrift wurde der gesamte Bologna-Prozess durchwegs nur positiv geschildert. Kritische Stellungnahmen waren selten. Statt dessen gab es allenfalls Professorenschelte. Gleichzeitig hatte Handelsblatt – Junge Karriere auch formale Details (wie Akkreditierungen) immer forciert. Hier hat vor allem der damalige Redakteur Christoph Mohr eine bedenkliche Rolle gespielt.

Also: Vielleicht sollte einige Medien umdenken. Nur, ob dies das Handelsblatt – Junge Karriere noch machen kann, ist offen, weil es möglicherweise als Print-Version eingestellt wird.